Sarah aus Hannover erkrankte Anfang 2019 an Blutkrebs. Ein paar Monate später erhielt sie die rettende Stammzellspende von ihrem genetischen Zwilling aus Amerika. Ganz langsam erkämpfte sich die 25jährige ihre Normalität zurück - und dann kam Corona. Wie geht es Sarah heute damit? Und wie schafft sie es, trotz erneuter Isolation, nicht den Lebensmut zu verlieren?
Vor einem Jahr wurde mein erster Beitrag veröffentlich und ich weiß noch wie viele Gedanken ich mir gemacht habe. Ich wollte ehrlich sein, nichts beschönigen aber auch niemanden verschrecken. Ein ziemlich schmaler Grad, zumal meine Gefühle und mein körperlicher Zustand knapp vier Monaten nach Transplantation echt Achterbahn fuhren.
Und jetzt ein Jahr später?
Heute auf den Tag, 21. Juli 2020, bin ich genau 500 Tage transplantiert. Unfassbar irgendwie, ich zähle die Tage zwar nicht mehr. Aber ab und zu gucke ich mal nach und heute war ich wirklich erstaunt. Erstaunt zum einen über die Tage, Wochen, Monate die irgendwie verstrichen sind und sich zwischenzeitig aber so unendlich lang angefühlt haben. Erstaunt auch darüber, dass ich seit der letzten Kontrolle Anfang Juli nun nur noch alle drei Monate vorstellig werden muss. Das war doch letztes Jahr in so weiter Ferne, stattdessen habe ich ein bis zwei Mal die Woche gewartet, gebangt und gehofft. Von wie vielen unterschiedlichen Personen habe ich immer wieder gehört, dass ich bloß geduldig sein muss und es bald wieder in Richtung Normalität gehen würde. Ich hab es ein ums andere Mal belächelt, mir meinen Teil gedacht und an manchen Tagen war ich einfach nur wütend und traurig über solche Floskeln.
Aber es kam, wie es mir prophezeit wurde. Pünktlich mit Beginn der Adventszeit, im letzten Jahr, habe ich meine Wiedergliederung im Beruf begonnen und war so froh, dass ich endlich wieder von zu Hause rausgekommen bin und etwas anderes um mich hatte. Es lief wirklich gut, war dennoch viel anstrengender als ich erwartet hätte.
Na und dann? Dann kam Ende Februar, Anfang März diesen Jahres das Corona Virus immer stärker Richtung Europa. All die Freiheiten die ich mir erkämpft hatte: Das so lang ersehnte Stückchen Normalität, der Weg zur Arbeit, eigenständiges Einkaufen, Treffen mit Freunden und Drücken der Liebsten – alles von jetzt auf gleich wieder weg. Natürlich könnte ich jetzt sagen, ach ich kannte das vom letzten Jahr, zu Hause bleiben und andere für mich Erledigungen tätigen, nur mit Mundschutz und bei wirklich wichtigen Angelegenheiten vor die Tür. Aber so leicht habe ich es nicht nehmen können. Ich war und bin einfach oftmals sauer, Corona ist ein weiteres Hindernis zurück ins Leben.
Seit zwei Jahren fühle ich mich jetzt wie jemand, der aus dem Leben gerissen wurde und nicht weiß wie es gelingt wieder Fuß zu fassen. Es fühlt sich manchmal echt an wie ein ganz schlimmer Film, bei dem ich die Hauptrolle spielen muss aber eigentlich gar nicht will. Erneut werden Pläne verschoben, meine Mutter kauft für uns ein, Treffen mit Freunden abgesagt, Urlaube storniert und die Arbeit aus dem HomeOffice erledigt.
Aber Moment mal? Mache ich mir gerade über solche Kleinigkeiten wirklich so einen Kopf? Das zeigt doch eigentlich, dass es mir körperlich gut geht und die Stammzellen nach wie vor nicht von meinem Körper abgestoßen wurden oder als „fremd“ anerkannt wurden. Und ja, es geht mir gesundheitlich gut. Das muss ich wirklich unterstreichen. Wenn ich wieder beginne alltägliche Sorgen zu haben, welche ähnlich zu den Sorgen Gleichaltriger sind, dann bin ich auf einem echt guten Weg.
Corona hin oder her, es gibt für mich genug Punkte, die sich so positiv entwickelt haben. Daran muss ich mich manchmal selbst erinnern, wenn die Tage mal nicht so rosig scheinen. Aber ich bin am Leben, nach einem harten und zerreißenden 2019 habe ich es Dank der Stammzellpende ins Jahr 2020 geschafft. Das Jahr, in dem Corona herrscht, doch auch das Jahr, in dem ich im Herbst meine Liebe heiraten werde. Und was dann kommt? Ich weiß es nicht, doch ich bin mir sicher, es werden viele tolle Momente dabei sein. Vielleicht 2021 ein Treffen mit meiner Lebensretterin.
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