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  • AutorenbildSarah Mibus

Spender Sven: "Ein Nein kam für mich nie infrage."

Als ich Spender Sven im März diesen Jahres zum Interview anfrage, ist er direkt mit Begeisterung dabei, füllt meinen Fragebogen aus und freut sich, dass er mit seiner Geschichte vielleicht den ein oder anderen Leser zu einer Registrierung bewegen kann. Ein paar Tage später schreibt er mir dann die traurige Nachricht: sein genetischer Zwilling ist zwei Jahre nach der Spende gestorben. Sven möchte aber trotzdem seine Geschichte mit uns teilen, da ihm die Zeit in besonderer Erinnerung geblieben ist und er jederzeit wieder spenden würde.


Lieber Sven, Du hast vor zwei Jahren Stammzellen für einen Krebspatienten, Deinen genetischen Zwilling, gespendet. Erinnerst Du Dich an den Tag, an dem die Nachricht bei Dir ankam, dass Du als Spender ausgesucht bist?

Eigentlich war es ein Tag wie jeder andere, ein Montag. Nach Feierabend noch eben Rasen mähen…das war der Plan. Ich bin nur zur Tür rein und direkt durch in den Garten.

Das jemand eine Nachricht auf dem AB hinterlassen hatte, habe ich gar nicht bemerkt.

Meine Frau kam etwas später von der Arbeit, hat die Nachricht auf dem AB abgehört und dann haben wir noch am gleichen Abend mit der DKMS telefoniert.


Was war Dein erster Gedanke, wie hast Du Dich gefühlt?

Erstmal trifft Dich das wie ein Schlag. Eigentlich ein freudiges Ereignis. Man freut sich darauf jemandem helfen zu können, aber gleichermaßen auch Traurigkeit, denn es geht jemandem gesundheitlich sehr schlecht und wenn du jetzt nein sagen würdest, dann wäre so ziemlich jede Hoffnung für die Person verloren.


Wann und warum hattest Du Dich registriert?

Warum ich mich Ende der 2000er registrieren hab lassen, weiß ich gar nicht mehr. Meine Frau hat damals eine Ausbildung zur PTA gemacht. Ich glaube, das war mal Thema in ihrer Schule, woraufhin sie dann die Stäbchen für uns angefordert hat. 2016 haben wir nochmals ein Kit zwecks Abgleich bekommen. Unsere Daten wurden dabei auch nochmals auf aktuellen Stand gebracht.


Nach der ersten Benachrichtigung kamen ein paar Tests auf Dich zu. Erzähl uns davon.

Das lief in mehreren Steps ab:


1. Blutabnahme: Erstmal bekommt man einen dicken Umschlag mit diversen Utensilien zugeschickt, die man mit zu seinem Hausarzt nimmt. Bei diesem wird dann die Blutabnahme durchgeführt, welches ein Kurier abholt und direkt ins Labor bringt. Man weiß, man kann es nicht beeinflussen und hofft nur, dass die Blutwerte in Ordnung sind. Irgendwas kann immer sein, was die Spende letztlich verhindert. Über allem steht aber natürlich die Frage, komme ich als Spender wirklich zu 100% in Frage. Alles passte!


2. Gespräche bei Cellex, Köln

Nachdem die Laborergebnisse für ok befunden wurden, bekam ich eine Einladung zum

Beratungs- bzw. Untersuchungsgespräch bei Cellex in Köln. Dort wurde ausführlich über das Thema Spende und Spendenart gesprochen, wobei die Art der Spende ja schon vorher feststeht und daher auch die Beratungsgespräche und Untersuchungen vor Ort etwas unterschiedlich ablaufen. Nachdem mein vor Ort ausgefüllter Fragebogen, das Arztgespräch und auch der Organultraschall für vollkommen tauglich erklärt wurden, war klar, jetzt gibt es kein Zurück mehr. Wenn ich jetzt JA sage, dann muss das auch passen, wobei ein NEIN für mich nie infrage kam. Warum sollte ich jetzt noch Nein sagen? Ich hatte mich vor über 10 Jahren schon mit der Registrierung fürs Helfen entschieden.

Wie viel Zeit lag zwischen der ersten Anfrage und Deiner Spende?

Zwischen dem ersten Anruf und der Spende selber lagen etwa 3 Monate. Der Gesundheitszustand meines Zwillings war bisweilen so „gut“, dass ich meinen geplanten Sommerurlaub noch absolvieren konnte.


Der Tag der Stammzellspende rückte näher. Wie hast Du Dich am Abend davor gefühlt?

Mental oder Körperlich… mhh…. Wechselbad der Gefühle ist wohl eine ganz passende Beschreibung. Ich sollte am Montag Früh zur Apherese bereit stehen. Von den Medikamten bekam ich grippeähnliche Symptome, die waren seit Donnerstag zuvor stets mein treuer Begleiter. Die Temperaturen zu der Zeit waren sehr sommerlich, wobei mir auch innerlich so schon warm genug war. Meine Beine waren sehr unruhig. Liegen, stehen, sitzen… nichts davon war gut in dem Moment. An Schlaf war nicht zu denken. Mir gingen1000 Dinge durch den Kopf. Wie klappt das mit dem Sitzen… 4 Stunden… was ist wenn du mal aufs Klo musst….? Hast du an alles gedacht? Haben die an alles gedacht… Bloß nicht verschlafen….


Du musstest Dir die Medikamente vor der Spende selbst spritzen, wie war das?

Mit den Spritzen selber hatte ich kein Problem. Ich musste mir früher schon mal selbst Thrombosespritzen setzen, das war also nicht neu für mich. Das machte mir keine Sorgen, Bauchfett war auch genügend vorhanden. Auch die Reihenfolge, welche Indikation wann gesetzt werden musste, ist eigentlich idiotensicher. Ich hatte im Vorfeld viel davon gehört, dass sich der Körper wie bei einer Grippe (nicht Männergrippe) anfühlt. Das würde ich definitiv unterschreiben: Kopf und Gliederschmerzen, Schwindel und flau… warm, kalt...wie bei einer starken Grippe, nur ohne Husten und Schnupfen. Der Körper dreht richtig auf, man spürt jeden Knochen und Muskel. Allerdings muss ich sagen: Das lässt sich alles wirklich ertragen! Vor allem wenn man sich vor Augen führt, welche Schmerzen und Einschränkungen der genetische Zwilling durchmacht.

Sven bei seiner Stammzellspende in Köln

Erzähl uns von dem Tag bei Cellex. Warst Du aufgeregt? Hattest Du Begleitung?

Die im Vorfeld schon angesprochene Nervosität verfiel, als ich um 07:30 Uhr bei Cellex über die Schwelle trat. Es saßen schon ein paar andere Spender im Wartebereich. Wir kamen ins Gespräch und tauschten uns aus. Gegen 08:00 Uhr saß ich auf dem Stuhl, von dem ich mich die nächsten knapp 4 Stunden erstmal nicht wieder erheben sollte. Um 08:30 Uhr ging es dann los. Ich sollte im Vorfeld noch ausreichend Flüssigkeit zu mir nehmen, also brauchte ich doch eine kurze Pause.

Unglaublich wie viel Aufwand hierfür aufgebracht werden musste, nur damit man kurz zur Toilette kann, auch das war ein Abenteuer!


Welche Erinnerungen hast Du an die Spende selbst? Hattest Du Schmerzen oder war Dir unwohl?

Die Schmerzen der Medikamente ließen unmittelbar nach dem Start der Apherese nach. Das Druckgefühl am Rücken verflog regelrecht.


Wie hast Du Dich körperlich direkt nach der Spende gefühlt?

Mental einfach nur happy. Die Glücksgefühle kreisten wie Schmetterlinge in meinem Kopf.

Körperlich war ich müde. Ich bin noch eine gute halbe Stunde vor Ort geblieben, habe

etwas gegessen und getrunken, bis der Kreislauf wieder in Schuss war. Danach war es einfach ein Genuss die frische, warme Sommerluft zu genießen.


Wann hast Du Dich wieder so gefühlt wie davor?

Am Abend danach hab ich ein kühles Kölsch getrunken. Das war wie ein Zaubertrank für die Nacht. Ich hab super geschlafen und war nach zwei weiteren Tagen wieder 100% fit.

Was ging in Deinem Kopf in dieser Zeit ab? Konntest Du fassen, dass Du vielleicht einem Menschen das Leben gerettet hast?

Als ich bei Cellex fertig war und zum Aufzug bin, sich dessen Türen öffneten, standen zwei Kuriere drin, die meine oder die Spende der anderen abholten und quer um den Globus bringen sollten. Da wurde mir erst klar, was da überhaupt passiert ist und was für ein Aufwand noch aufgebracht werden muss, damit der Mensch, den ich nicht kenne, überhaupt die Hilfe bzw. Spende bekommt.


Weißt Du die Eckdaten Deines Patienten?

Mein genetischer Zwilling war weiblich, 69 Jahre alt und kam aus Australien.

Leider hatten wir nie Kontakt. Ende Märze 2019 erhielt ich die traurige Nachricht, dass sie zwischenzeitlich verstorben sei.


Was hast Du aus diesem Kapitel für Dich gelernt?

Das Leben bewußter zu genießen.


Würdest Du eines Tages noch mal spenden?

Ich würde es jederzeit wieder tun.


Danke für Deine Zeit. Dir und Deiner Familie alles Liebe.


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