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  • AutorenbildSarah Mibus

Wie kommen Stammzellen vom Spender zum Patienten?

Um ehrlich zu sein, habe ich während oder nach meiner Knochenmarkspende letzten Sommer kein einziges Mal darüber nachgedacht, wie die Zellen dann letztendlich mein genetisches Zwillingsmädchen erreicht haben. Fest steht, der Beutel kam an, die Transplantation verlief gut und heute, ein Jahr später, sind keine Krebszellen im Blut meiner genetischen Zwillingsschwester mehr vorhanden.


Für so ein Glück bedarf es direkt mehrerer Leute, die an dieser Mission beteiligt sind: Spender, Ärzte, Pfleger, DKMS Mitarbeiter (oder ähnliche Organisationen, die zwischen Patient und Spender vermitteln) und eben auch Lieferanten, die dafür verantwortlich sind, dass die frisch entnommenen Stammzellen vom Spender unversehrt und pünktlich beim Patienten ankommen. Bis die gesunden Zellen im Knochenmark des Patienten andocken, dort hoffentlich die Tätigkeit aufnehmen und gesundes Blut produzieren, ist also echtes Teamwork gefragt.


Durch einen Zufall erzählte mir meine gute Freundin Anne eines Tages, dass ihr Bekannter derzeit quer durch die Welt fliege. „Uwe arbeitet für eine Spedition und bringt Stammzellen und Knochenmark zu den jeweiligen Patienten.“ Ich spitzte die Ohren und schon kurze Zeit später traf ich mich mit Uwe, der mir ausführlich über seine Tätigkeit berichtete:


Uwe on Tour! In der Transportbox werden die Stammzellen oder das Knochenmark gekühlt und werden so zum Empfänger gebracht

„Eigentlich arbeite ich als Musiker und habe vor allem im Sommer viele Engagements und Konzerte. Im Winter dagegen ist oft ein bisschen Leerlauf. Mein Bruder war selbst während seines Studiums viel als medizinischer Kurier unterwegs. Er fragte mich, ob ich mir vorstellen könne ein paar Transporte zu übernehmen. Reich wird man davon zwar nicht, aber ich war begeistert von der Idee, mit meinem Einsatz Menschen helfen zu können. Also ging ich zum Vorstellungsgespräch und nahm an einer Schulung teil, in der wir alle wichtigen Infos bekamen. Davor hatte ich mir nie wirklich Gedanken gemacht, wie so etwas funktionierte. Ich wusste auch gar nicht, dass die DKMS weltweit vernetzt ist. An dem Schulungsnachmittag habe ich also sehr viel gelernt, was ich davor nicht wusste und fand das alles unglaublich interessant.“


Hier ein paar Facts:

Stammzelltransporte werden von freiwilligen Helfern gemacht, die dafür zwar eine Aufwandentschädigung bekommen, das aber nicht als „richtiger“ Job gesehen werden kann. Die Kuriere sind nicht festangestellt und haben keine Garantie auf eine bestimmte Anzahl an Aufträgen.

Die entnommenen Stammzellen werden in die ganze Welt geliefert. Mal geht eine Lieferung von Dresden nach München – mal von Köln nach Rio De Janeiro. Dazu ist es äußerst wichtig, die Kuriere ordentlich zu schulen. Der Beutel mit den Stammzellen liegt in einer Kühlbox und darf auf gar keinen Fall am Flughafen geröngt werden, da sonst die Stammzellen kaputt gehen würden. Die Kühlung hält circa 100 Stunden – in dieser Zeit muss das Ziel zwingend erreicht sein, sonst wäre eine Transplantation nicht mehr möglich. Gute Englischkenntnisse und internationale Reiseerfahrungen sind unter anderem Grundvoraussetzung für diesen Job.


„Zwei Wochen nach der Schulung hatte ich auch schon den ersten Auftrag in der Tasche. Ich sollte von Deutschland nach Norwegen fliegen, um dort den Beutel mit Stammzellen abzuliefern. Für den Anfang sollte es also keine allzu weite Strecke sein. Die Zellentnahme fand einen Tag vorher statt. Über Nacht wurden die Zellen kühl gelagert, sodass ich sie am nächsten Tag um 8 Uhr morgens abholte. Ich musste dann erstmal ordentlich Papierkram ausfüllen und war echt aufgeregt. Während dieser Kurierfahrten schicken wir Kuriere per SMS immer Updates raus, sodass alle Beteiligten jederzeit wissen, wo genau wir uns befinden und wann wir beim Patienten eintreffen.


Stammzellen abgeholt – check!


Mit der Transportbox fuhr ich dann direkt weiter zum Flughafen. Jede Minute war ich hochkonzentriert – bloß nichts vergessen, bloß nichts verkehrt machen! Schließlich wartete der Empfänger in Norwegen auf seine Stammzellen und war bestimmt genau so aufgeregt wie ich. In dieser Kühltasche steckte seine oder ihre Chance auf ein gesundes Leben. Die Verantwortung ist schon krass, aber mittlerweile, nach mehreren Transporten, habe ich mich an den Druck gewöhnen können.


Flughafen erreicht – check!


Bei der Sicherheitskontrolle musste ich dann darauf achten, dass die Kühltasche mit den Stammzellen auf gar keinen Fall geröngt werden darf. Die Sicherheitsleute an den deutschen Flughäfen kennen diese Transporte und auch sonst kann man sich schnell erklären, schließlich hat man ja alle nötigen Dokumente dabei.


Boarding – check!


Im Flieger hatte ich die Tasche die ganze Zeit neben mir und nahm sie auch mit auf Toilette. Nicht eine Sekunde darf sie unbeaufsichtigt bleiben, was auf so einem kurzen Flug wie Deutschland – Norwegen kein Problem ist. Aber auch wenn man Stammzellen beispielsweise nach Südamerika bringt, darf man kein Auge zu machen. Das ist eine Herausforderung, aber machbar! Die Stewardessen hatten schon beim Einsteigen registriert, dass ich als medizinischer Kurier unterwegs war und ließen mich dann nach der Landung als Ersten aussteigen.


Sicher gelandet – check!


Per Taxi fuhr ich dann direkt in die Klinik, wo der Patient und seine Angehörigen schon auf die Spende warteten. Diese bekomme ich allerdings nie zu Gesicht. Dort angekommen war ich ziemlich erleichtert, Feierabend hatte ich aber noch nicht. Im Krankenhaus musste ich noch mal einiges an Papierkram erledigen und unterschreiben bis ich schließlich meine erste finale Überlieferungs-SMS schicken konnte.


Stammzellen erfolgreich abgeliefert – check!


Uwe hat durch seine Arbeit als medizinischer Kurier schon viele Orte bereisen dürfen

Klar ist dieser Job anstrengend, aufregend und auch echt nicht ohne Druck. Einen kleinen Zwischenfall hatte ich auf einer Reise in die USA. Ich lieferte die Stammzellen ab, alles lief nach Plan, ich machte mich auf den Heimweg. Beim Security-Check habe ich die leere Transportbox dann zu meinem restlichen Handgepäck aufs Band gestellt, damit es durch den Scanner laufen konnte. Und eh ich mich versah, befand ich mich im absoluten Ausnahmezustand. Die Beamten wussten nicht, wofür die Kühltasche mit dem Thermometer sein sollte – und vermuteten das Schlimmste! In null Komma nichts war ich umzingelt von schwer bewaffneten Soldaten, für die diese Situation sehr ernst war. Ich wollte mich erklären, doch ich durfte keinen Laut von mir geben. Nachdem sie die Tasche inspiziert und schließlich erkannt hatten, dass von mir keine Gefahr ausgeht, haben sie sogar noch mit mir rumgescherzt. Das nächste Mal solle ich doch wenigstens ein Steak einpacken, damit sich das mit der Tasche lohnt. Puh!


Ich möchte mich auf jeden Fall weiter auf diesem Feld engagieren, da es mir einfach ein gutes Gefühl gibt, einen kleinen Teil für diese gute Sache beizusteuern. Zwar fliege ich privat gar nicht so gerne, in diesem Zusammenhang macht es mir aber Spaß, da ich weiß, dass am anderen Ende jemand hofft und wartet. Wenn ich möchte, kann ich auf eigene Kosten verlängern und bis zu vier Nächte am Reiseziel bleiben. Durch diese Arbeit habe ich schon ein paar Kurzurlaube in Nord- und Südamerika verbringen dürfen.“


Habt Ihr auch Lust zu helfen? Die Ontime Onboard Courier GmbH mit Sitz in München und Köln ist auch immer auf der Suche nach engagierten und verantwortungsbewusste Onboard-Kuriere. Wer im Raum Köln oder Raum München wohnt und alle Voraussetzungen erfüllt, kann sich gerne per Motivationsschreiben und Lebenslauf im PDF Format an interview@ontimecourer.com bewerben.


Anmerkung: Aus Datenschutzgründen wurde das Foto mit der Kühltasche nachgestellt.

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