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  • AutorenbildSarah Mibus

"Mir hat es geholfen, die Krankheit als Teil meines Lebens anzunehmen."

Anna aus Ulm erkrankte als 12jähriges Mädchen an Krebs - dank Stammzellspende konnte sie die Krankheit besiegen! Heute, viele Jahre später, darf ich mit Anna über diese schwere Zeit sprechen. Im Interview erzählt sie offen und stark, was ihr half zu überleben und wie sie es schafft, trotz immer wiederkehrender Angst ein selbstbestimmtes Leben zu führen <3


Liebe Anna, wie geht es Dir heute?

Hallo Sarah, mir geht es gut, gerade habe ich frei und genieße diese Zeit.


Als Anna 12 Jahre alt war, erhielt sie die Diagnose Leukämie. Heute ist sie gesund und strahlt mit positiver Lebenseinstellung

Du bist vor vielen Jahren an Leukämie erkrankt. Möchtest Du uns von der Diagnose und den ersten Wochen danach erzählen?

Als ich 12 war, wurde bei mir ein Lymphom diagnostiziert. Ich kann mich nur noch teilweise an die Einzelheiten erinnern, aber ich weiß, wie unwirklich sich das alles angefühlt hat. In der ersten Zeit wurde mir immer bewusster, wie sehr diese Krankheit mein Leben einschränken wird: keine Schule mehr, viele Klinikaufenthalte, nur wenig Kontakt zu meinen Freunden (wegen meinem schlechten Immunsystem aufgrund der Chemotherapie). Ich wurde wortwörtlich einfach aus meinem Leben gerissen und genau so hat es sich auch angefühlt. Und natürlich tauchte immer wieder die Frage auf "Warum ich?“. Trotzdem war mir von Anfang an klar, dass ich durch diese ganze Therapie durch muss, um wieder gesund zu werden. Und das wollte ich so sehr.


Mit welchen Gefühlen denkst Du an diese Zeit in Deinem Leben zurück?

Sehr gemischt. Auf der einen Seite war das natürlich eine schlimme Zeit für mich und wenn ich an diese Zeit zurückdenke, kommen mir auch viele Erinnerungen hoch, die mich berühren und die auch teilweise sehr schmerzhaft sind. Aber aus meiner Sicht jetzt gehört diese Zeit zu meinem Leben dazu und hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Ich glaube, ich habe dadurch eine andere Sicht auf viele Dinge, ich nehme vieles nicht für selbstverständlich und versuche, das was ich habe, wertzuschätzen.


"Mir war immer klar, dass ich so sehr wieder gesund werden wollte."

Dann war klar, dass eine Stammzellspende Dir helfen kann. Was hast Du in diesen Tagen über Deinen Spender gedacht?

Ein Jahr nach meiner ersten Diagnose hatte ich leider ein Rezidiv, die Therapie war eigentlich gerade beendet. Da war schnell klar, dass meine letzte Chance nur noch eine Stammzellspende sein würde. Mir ging es in dieser Zeit psychisch und physisch sehr schlecht und deswegen habe ich diese Zeit wohl weniger bewusst wahrgenommen. Ich erinnere mich trotzdem genau an den Moment als uns mitgeteilt wurde, dass ein passender Spender gefunden wurde. Das war für mich ein sehr intensiver Moment, in dem ich allerdings nicht konkret an den Spender gedacht habe. Für mich war das ein großer Schritt in Richtung Gesund werden, aber ich wusste auch, dass ich für die Transplantation viel Kraft brauchen würde. Außerdem war ich körperlich sehr schwach, da ich zu diesem Zeitpunkt sehr hoch dosierte Chemotherapie bekam – ich hatte also gar keine Energie diesen Moment zu feiern oder über alles nachzudenken. Das kam alles erst viel später.


Wie hast Du die Transplantation empfunden?

Der Vorgang der Transplantation an sich ist unspektakulärer als man denkt. Ich bekam die Stammzellen per Infusion. Umso größer war die Bedeutung. Nur wegen diesen gespendeten Stammzellen kann ich heute noch am Leben sein. Das war mir in diesem Moment allerdings nicht so bewusst wie es mir heute immer wieder bewusst wird.


Wie waren die ersten 100 Tage nach der Spende für Dich?

Die Zeit nach der Transplantation war sehr schwierig, weil es mir körperlich sehr schlecht ging und gleichzeitig nicht klar war, ob mein Körper die Stammzellen abstößt. Drei Monate lag ich auf einer speziellen Station, in der ich in einer Art Zelt isoliert wurde, da mein Immunsystem durch Chemotherapie und Bestrahlung sehr schwach war. Es ging in dieser Zeit nur darum, dass mein Körper die fremden Zellen annimmt und nicht bekämpft. Die Tage waren für mich kräftemäßig so schwer, dass mir nur ein oder zwei Schritte zu gehen kaum möglich waren. Irgendwann ging es dann bergauf und ich durfte stundenweise die Station verlassen und konnte so wieder langsam Kräfte sammeln.


Wer oder was hat Dir in dieser Zeit geholfen nicht aufzugeben?

In dieser Zeit haben mir vor allem meine Eltern und meine Freunde Kraft gegeben. Vor allem meine Mutter war rund um die Uhr für mich da. Sehr gute Freunde haben in der Zeit vor der Transplantation Spenden gesammelt und eine Typisierungsaktion mit der DKMS gemacht. Es berührt mich heute immer noch sehr, wie viele Menschen mit mir gekämpft haben. Ich habe viele Briefe bekommen: von Freunden, Verwandten und Klassenkameraden. Auch das hat mir Kraft gegeben, zu wissen, wie viele an mich denken. Mir war immer klar, dass ich so sehr wieder gesund werden wollte. Mein Ziel war wieder einen ganz normalen Alltag ohne Krebs haben zu können.


Auftanken mit den Hunden in der Natur

Weißt Du etwas über Deinen Spender? Habt Ihr Kontakt?

Zwei oder drei Jahre nach der Transplantation haben wir angefangen uns über die DKMS Briefe zu schreiben. Er heißt Manuel, ist 10 Jahre älter als ich und kommt aus NRW. Den ersten Brief von ihm zu bekommen war ein sehr intensiver Moment – dadurch wurde plötzlich alles real. Er hat damals studiert und mir hat es sehr viel bedeutet, etwas über sein Leben zu erfahren. Bis heute sind wir immer wieder in Kontakt. Ein Treffen hat bisher leider nicht geklappt, vielleicht aber eines Tages. Es ist ein verrücktes Gefühl, dass er mein genetischer Zwilling ist, der mir die Chance gegeben hat, weiter zu leben.


Du bist seit 12 Jahren gesund. Hast Du Angst, dass der Krebs zurückkommt? Wie gehst Du damit um?

Diese Angst ist immer wieder da. Ich weiß, was es bedeutet, krank zu sein. Dadurch habe ich aber auch gelernt, wie wertvoll die Gesundheit ist. Das versuche ich mir immer wieder bewusst zu machen. Letztendlich habe ich es nicht in der Hand, aber ich versuche, mein Leben bewusst zu leben und wertzuschätzen.


Was hat Dir geholfen, dieses Kapitel Deines Lebens zu verarbeiten?

Mir hat es geholfen, die Krankheit und die Transplantation als Teil meines Lebens anzunehmen. Ich habe das auch in einer Therapie aufgearbeitet, das hat mir gut getan. Vor allem aber hat es mir geholfen, weiter zu machen und mir neue Ziele zu setzen. Ich habe mein Abitur in der gleichen Klasse gemacht, in der ich vor der Erkrankung war. Die ganze Klasse stand während meiner Krankheit hinter mir, das war eine große Stütze. Ich habe Kindheitspädagogik studiert und arbeite inzwischen in einer Kita, das mache ich sehr gerne. Es waren und sind bis heute vor allem die Menschen in meinem Leben, die mir helfen, dieses Kapitel zu verarbeiten.


Hast Du Tipps für Patienten, die auch betroffen sind? Was würdest Du ihnen gerne mit auf den Weg geben?

Ich glaube, jeder muss in einer solchen Situation seinen eigenen Weg finden damit umzugehen. Es hilft sich bewusst zu machen, was einem gut tut und was einem Kraft gibt und daran hält man dann fest. Für mich war es enorm wichtig, mein Ziel vor Augen zu haben: wieder gesund werden! Und manchmal muss man eben auch jeden Tag neu schauen, wie man damit umgeht.


Anna, 25, arbeitet heute in einer Kita.

Vielleicht möchtest Du ein paar Worte an die Leute richten, die noch nicht registriert sind?

Viele Menschen, mit denen ich über meine Krankheit und die Stammzelltransplantation rede, wissen gar nicht, wie einfach und unkompliziert eine Typisierung ist. Vor allem im Verhältnis zu der Chance, dass damit jemand weiterleben kann. Ich möchte so gerne jeden bitten, der noch nicht typisiert ist, sich damit auseinander zu setzen und sich bewusst zu machen, was man damit bewirken kann. Ich wäre heute tot, wenn sich dieser eine Mensch, dessen Stammzellen ich bekommen habe, nicht dazu entschlossen hätte, sich typisieren zu lassen. Und deswegen finde ich auch Menschen wie dich, Sarah, so wichtig, weil ihr es schafft, dieses Thema immer wieder präsent zu machen. Vielen Dank dafür!


Liebe Anna, danke für Deine offenen Worte. Du strahlst und siehst einfach super gesund aus! Weiter so <3

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